Digitalisierung > Katastrophenhilfe > Gesellschaft > 10.09.20

#Warntag2020 #Ninawarnapp #Katwarn #BIWAPP

In Berlin gibt es keine Sirenen mehr“, so der Innensenator Geisel zu dem rbb-Moderationsteams, “da die Stadt eh so laut ist, dass die Sirenen nicht so gut gehört werden würden” wird im Beitrag des rbb’s am 10.09.20 sinngemäß weitergegeben. Mal abgesehen von der Frage, wo Stadtlärm entsteht und ob es dann nicht ein Interesse der Stadtverwaltung sein sollte, wissentlichen Stadtlärm zu verringern und zu vermeiden, stellt sich die Frage weswegen städtebauliche Reformen für eine lebenswerte, gesundheitsförderne (umweltbundesamt.de) und Katastrophen schützende Stadtentwicklung im Kontext der Katastrophenhilfe mit digitalen Systemen ausgeglichen werden sollen (www.bbk.bund.de), so dass zum Beispiel Sirenen als nicht mehr nötig (anwendbar) betrachtet werden?

Der rbb (rbb24.de), die Tagesschau (tageschau.de) und weitere Nachrichtendienste (twitter digitalcourage) berichteten, dass das Innenministerium von Deutschland den Warn-Übungstag als gescheitert betrachten. Was hier aber vom Innenministerium kritisiert wird, ist die rein technische Übertragung und Abstimmung der zu sendenen Information, zum Beispiel in Falle einer Katastrophe. Nicht genannt und damit entnannt sind Phänomene einer digitalen Spaltung und Ungleichheit und Risiken von proprietären Code, wie es gegenüber den drei verfügbaren Warnapps von Digitalcourage aufgezeigt wird (twitter digitalcourage).

Die Basis des Warnsystems des BBK (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) besteht darin, dass es synchrone Warnsysteme über die Medienformen des Radios, des Fernsehens und Sirenen gibt und die asynchronen – in Form von öffentlichen Schalttafeln, Anzeigen auf verschiedenen Plattformen und sogenannte Apps für Smartphones und Tablets.

Problematisch für Berlin ist, dass es keine Sirenen mehr gibt. Der pragmatisch wirkende Gedanke auf Smartphones als synchrone Warnsysteme zu wechseln und deren Ökosysteme für eine Warninfrastruktur zu nutzen oder nutzend zu machen, scheint relativ plausibel. Hier gibt es aber einige Fragen, die diskutiert und reflektiert werden sollten.

Wie viele Menschen nutzen in Deutschland Smartphones, wer nutzt Smartphones für welche Anwendungen und welche Personengruppen können mit dem Smartphone an öffentlichen Leben teilhaben und von gesellschaftlichen (digitalen) Dienstleistungen im Rahmen einer Gleichbehandlung – sich – emanzipieren (Selbstständig handel)?


Wie können Menschen also bei einem Katastrophenszenario auf ihren digitalen Mobilgeräten im Kontext der NINA-, Katwarn, BIWAPP-Warnapp gewarnt werden, wenn Menschen nicht ‘Mehrheits-Systemdistributionen’ (z. B. Andriod und IOS) benutzten. Selbst wenn vielleicht rund 71,8 % der Menschen Googleandroid-Systeme oder 27,59 % Apple-Distributionen (de.statista.com/) auf ihren digitalen Mobilgeräten nutzen und Zugriff auf einen Applestore oder Googleplaystore haben, gibt es Menschen, welche nicht an entsprechende Plattformen gebunden sein wollen um gesellschaftliche Leistungen, wie Beispielsweise die Katastrophenhilfe (immerhin von den Bundessteuergeldern finanziert [netzpolitik.org], mit einem allgemein-gesellschaftliches Interesse für jene Dienste) in Anspruch zu nehmen. Hier stellen sich schnell Fragen, welche Personengruppen und Individuen gewarnt werden und welche nicht? Daraus resultiert eine Stratifizierung (nach Kutscher, Farrenberg) durch eine Kodifizierung (nach Zorn) und schafft eine digitale Spaltung, Ungleichheit (nach Iske, Kutscher) in vulnerablen Bereichen, der Würde, der Unversehrtheit, der Menschlichkeit und Gleichheit in der Umwelt zwischen Systemen der Akteur:innen (nach Luhmann). Oder um es zugespitzt zu formulieren, welche Akteur:innen sind es Wert geschützt und gewarnt zu werden? Als Recherchegrundlage empfehle ich den D21-Digital-Index.


Als Beispiel, dass die gesamtgesellschaftlich konzeptionierten Warnapps Plattformgebunden sind und damit einer Datenökonomie und Überwachungskapitalismus (nach Zuboff) folgen, zeigt einen kritisch zu verfolgenden Diskurs auf, Akteur:innen aus bestimmten Personengruppen sanft abzuhängen (digital Abgehägten nach dem D21-Digital-Index).

Die NINA-, Katwarn- und BIWAPP-Warnapps im Test auf Smartphonedistributionen ohne einen Apple-Store oder Googleandroide-Store im Bildvergleich:

Plädoyer

Öffentliche Projekte für eine allgemein-gesellschaftliche digitale Versorgung mit Instanzen im Sinne von digitalen Dienstleistungen sollten stets freie Software, Open Source und Plattformunabhängig sein. Öffentliche digitale Dienste sollten so verfügbar sein, dass Menschen nicht auf Zugangsbeschränkte Bezugssysteme (wie Apple-Appstores, Googleplaystores) limitiert angewiesen sind (Z. B. Apple-Appstore, Googleplaystore).

Der Diskurs um digitale Medien, Plattformen, Datenökonomie und deren Abhängigkeiten zeigen sehr gut an dem Beispiel der Warnapps, welche Hinderungen im Alltag von Sozialer Arbeit im Kontext von Partizipations- und Emanzipationsmöglichkeiten auftreten (können), gerade in einer sich rasant (digitalisierenden) mediatisierenden Umwelt (nach Krotz).